Unser Debattenbeitrag bei „Status Quo“ von addn.me. Status Quo ist eine Debatten-Reihe über den Rechtsruck in Dresden, geschrieben von linken, emanzipatorischen sowie progressiven Gruppen.
Fangen wir bei den guten Nachrichten an bezüglich der Entwicklung queerer Politiken in Sachsen seit der letzten Wahl: es gibt uns jetzt. Wir verstehen uns als linke, emanzipatorische Pride. Wir vertreten in Dresden und darüber hinaus diejenigen, die davon ausgehen, dass queere Interessen nur in der Überschneidung mit anderen Kämpfen vertreten werden können und dass sie nur nachhaltig vertreten sind, wenn sie sich klar gegen alle autoritären und rechten Ideen abgrenzen. Und wir betreiben ein weitreichendes community building und schaffen linke, queere Räume, die es dringend brauchte. Vielleicht ist das auch schon ein Großteil der guten Nachrichten. Wir könnten an dieser Stelle noch die Tatsache anführen, dass es in Sachsen in den letzten Jahren bedeutend mehr CSDs und Prides gab, also mehr Sichtbarkeit und Raumnahme von queeren Menschen und ihren Verbündeten. Damit einher gehen aber auch mehr Angriffe, vor allem auf die queeren Demonstrationen im ländlichen Raum, hier meinen wir zum Beispiel rechte Pöbeleien, Störungen und Eierwürfe beim ersten CSD in Bautzen.
Die gesellschaftliche Stimmung, Konsequenz von Jahrzehnten CDU-geführter Regierungen und freier Fahrt für die Menschenhasser*innen aller Facetten des rechten Spektrums macht uns Sorge: Anträge im Landtag wie „Vorsicht! Genderwahn im Stundenplan“ (Juni 2023) zeigen uns, dass die Qualität der Debatten auf einem Tiefpunkt angekommen sind. PropagandistInnen der AfD ist jedes Mittel recht, Menschen gegen andere aufzustacheln. Sie hetzen gegen Queers, wie sie übrigens auch gegen Migrant*innen und alle anderen hetzen, die nicht in ihre normativen Weltbilder passen. Ob es nun um herbeiphantasierte Bedrohungen durch Geflüchtete und in der Folge unmenschliche Asyrechtsverschärfungen oder um imaginierten Genderwahn geht: Wer immer sich als Projektionsfläche für Vorurteile oder zur Instrumentalisierung für die eigenen Zwecke eignet, der wird früher oder später dazu herangezogen. Allein das ist Grund genug, den Widerstand gegen heterosexistische und rassistische Projekte gemeinsam aufzubauen. Und hier meinen wir nicht die AfD allein.
„Wir sind hier in Sachsen“ hörte eine Person von uns als Antwort, warum es wohl nicht möglich sei, am Arbeitsplatz auf eine korrekte Ansprache zu bestehen, „hier ändern sich die Dinge eben nicht“. Der Rechtsstreit mit dem sächsischen Krankenhaus Arnsdorf zeigt, wie wenig Einsicht zu erreichen ist, selbst mit rechtlichen Mitteln.
Gilt in Sachsen ein anderer Maßstab? Sollten wir alle unsere Sachen packen und uns in andere Großstädte zurückziehen? No way. Wir sind noch lange nicht fertig. Denn es gibt übrigens selbst zu der oben erwähnten Landtagsdebatte eine gute Nachricht: Nicht nur Sarah Buddeberg (Die Linke) ergriff für die Rechte queerer Menschen das Wort. Auch kam zumindest in diesem Fall von den anderen Parteien keine Zustimmung zur Hassrede der AfD. Aber können wir uns darauf langfristig verlassen? Wo hier und da symbolisch eine Schirmherrschaft übernommen wird, werden an anderer Stelle Regeln erlassen, nach denen das Gendern jetzt an allen sächsischen Schulen verboten ist. Nach dem Willen von CDU-Kultusminister Piwarz soll sich das in diesem Sommer verschärfte Verbot auch auf externe Kooperationspartner*innen erstrecken.
Kurzum: Die dringend benötigte, gendersensible Bildungsarbeit darf keine gendersensible Sprache mehr verwenden. In der GEW Sachsen wird dies treffend als „Erfolg populistischer Nebelkerzen“ gewertet.
Es geht hier aber nicht um die auf Sternchen und Doppelpunkte verschmälerte Diskussion des adäquaten Sprachgebrauches. Es geht um die Frage, wer Teil dieser Gesellschaft sein darf und wer nicht und wie wir unser aller Zusammenleben ausgestalten. Nur, dass das eben bei der Frage anfängt, wer wie angesprochen wird, ob Ämter und Behörden sich weiterbilden- und entwickeln, und welchen Schutzes sich queere Kinder und Jugendliche an ihren Schulen in Sachsen sicher sein können.
Seit der letzten Landtagswahl 2019 ist nämlich auch das passiert: In Dresden wurde am hellichten Tage im Zentrum der Stadt ein Mensch aus homofeindlichem Motiv ermordet. Und dies ist nur der schlimmste Fall. Transfeindlicher Hass in sozialen Medien ist Alltag, in Dresden wurden zwei Queers am Albertplatz angegriffen, weil sie sich küssten, und ausgerechnet am Rande einer Kundgebung zum Tag der nichtbinären Menschen 2022 gab es einen transfeindlichen Übergriff.
Wir müssen queere Politiken auf ihre Emanzipationskraft hin überprüfen.
Unterm Strich wird die Lage für uns als Queers nicht einfacher. Da lassen auch die nächsten Landtagswahlen nichts Gutes hoffen. Neben diesen Problemen beschäftigt uns aber ein weiteres: Wer sind unsere Allies? Beim Blick auf die immer zahlreicheren Prides und CSDs ist die Frage: wer von ihnen steht politisch wirklich auf unserer Seite? Was haben wir mit einem CSD gemeinsam, auf dem große Konzerne ihre Regenbogenflaggen schwenken? Was verbindet uns mit kleinen CSDs, die sich mit der AfD treffen, wie jüngst in Pirna? Wer steht am Ende mit uns Schulter an Schulter gegen autoritäre und rechte Entwicklungen?
Wir sind uns sicher: es sind diejenigen, die sich aus ihrer Haltung heraus solidarisch an die Seite derjenigen stellen, die dem Hass ausgesetzt sind. Vor allem aber sind es diejenigen, die es wagen, mit uns die Idee weiterzutragen, dass ein anderes Leben möglich ist – auch in Sachsen. Es wäre möglich, gemeinsam dafür zu kämpfen. Manchmal bedeutet das, den eigenen Rassismen und der eigenen Transfeindlichkeit auf den Grund zu gehen. Vielleicht müssen wir Politikstile verändern, um im komplexen politischen Feld unsere Stärken als emanzipatorische Bewegungen zu nutzen. Und sicherlich müssen wir mehr nach Verbündeten suchen. Aber wir müssen queere Politikansätze auch selber immer wieder auf ihr emanzipatorisches Potential hin überprüfen.
Was die kommende Landtagswahl bringt, können und wollen wir nicht prognostizieren. Kürzungen im Bereich sozialer und queerer Projekte werden zuallererst diejenigen treffen, für die sie am wichtigsten sind. Wir müssen Druck ausüben auf die demokratischen Parteien, wir müssen die Zivilgesellschaft an ihre Relevanz und Aufgaben erinnern. Wir müssen uns stärker mit unseren antifaschistischen Freund*innen zusammentun und klar artikulieren: queere Themen sind linke Themen. Und wir müssen das Verständnis dessen erweitern, was eine queere Zukunft bedeuten soll.
Eins wissen wir allerdings jetzt schon: der Weg dahin kann nur ein radikal emanzipatorischer sein. Und das bedeutet in Sachsen nicht zuletzt auch: radikal antifaschistisch.