Beitrag der Queer Pride auf der Demonstration „Neues Versammlungsgesetz stoppen!“ am 18.04..
Ich will in der Rede darüber erzählen, warum wir heute als Queer Pride Dresden auch hier mit euch vor dem Landtag stehen. Die Frage stellt sich ja vielleicht: Warum machen wir als queerer Zusammenhang aus Dresden im Netzwerk für Versammlungsfreiheit mit?
Denn wenn man sich überlegt, gegen wen sich wohl die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit als erstes richten werden, dann denken viele vermutlich zuerst an Klima-Aktivismus, Anti-Nazi-Aktionen oder sowas wie den Black Block gegen G20 in Hamburg. Und das ist auch gar nicht so verkehrt. Da, wo keine große Sympathie der breiten Bevölkerung, keine Skandalisierung durch bürgerliche Medien zu erwarten ist, da lässt sich die Ausdehnung autoritäter Befugnisse am besten antesten.
Allerdings betrifft das genauso queere Versammlungen. Nicht in der Theorie, sondern in der Praxis. Nicht vereinzelt und irgendwo, sondern in mehreren Bundesländern und in großen, vermeintlich liberalen Städten. Ich möchte das mit einigen Beispielen belegen.
Bereits 2021 bei der ersten Pride meinte die Stadt Dresden, dass unsere Abschlusskundgebung unpolitisch wäre, bloßen Eventcharakter hätte. Vier Tage vor der Demo schrieb uns das Ordnungsamt an und wollte sie aus dem Ablaufplan streichen. Gerade einmal einen Tag Zeit hatten wir für eine Entgegnung. Aber wir konnten den Vorstoß abwehren und eine Absage des Programms verhindern.
Letzten Sommer traf es die Abschlusskundgebung des CSD in Stendal. Dieser wurde der Versammlungscharakter abgesprochen. Dieses Jahr könnte auch in Dresden die queere „Feiermeile“ beim CSD das gleiche Schicksal ereilen: nicht mehr als Versammlung nach Art. 8 GG zu gelten. Damit verbunden wären zusätzliche Auflagen und höhere Kosten, denn der CSD wäre dann ein stinknormales Straßenfest unter vielen.
Das klingt für alle, die dem Event-Charakter des hiesigen CSDs kritisch gegenüber stehen, zunächst nach keiner großen Neuigkeit. Schon viel eher als die Verwaltungsebene stellten sich linke queers die Frage – nicht nur in Dresden – wohin die schleichende politische Entkernung noch führen soll.
Wir wollen uns hier auch nicht in erster Linie für den CSD Dresden in die Bresche werfen. Sondern es geht uns ganz grundsätzlich darum, unser Versammlungsrecht gegen jeden Versuch der Aushöhlung zu verteidigen. Solidarisch mit euch zusammen.
Erst war es wieder das Ordnungsamt. Nach vielfacher Kritik – auch von uns und aus der Lokalpresse – und einem Machtwort von Bürgermeisterin Jähnigen schien die Sache zunächst überstanden. Aber jetzt schickt sich die CDU-geführte Landesdirektion an, von oben herab erneut eine Kehrtwende zu verordnen. Das sind genau die gleichen Kräfte, die gerne die geplanten Schikanen im neuen Versammlungsgesetz gegen uns einsetzen wollen.
Auch vor zwei Jahren war unsere Position klar: Eine öffentliche, nicht versteckte und selbstbestimmte queere Präsenz trägt immer einen politischen Aspekt in sich. Diese Präsenz – egal in welcher Form, ob als militantes Straßenfest, als familienfreundlicher Riot oder als Queer Pride Demonstration – ist immer auch ein Akt des Aufbegehrens gegen reaktionäre Kräfte. Es ist praktisch gelebter Widerstand gegen alle, die Sexualität, Begehren, Geschlecht in das Private verbannen oder – gerade wenn es um Minderheiten geht – gleich ganz verbieten wollen.
Schon die Auswahl der Personen auf der Bühne an sich ist eine politische Geste. Für uns ist klar: ein Grußwort eines nicht-queeren Bürgermeisters trägt zu einem „politischen Charakter“ nur wenig bei. Ganz anders unsere Praxis als Queer Pride, denen eine Plattform zu geben, die sonst wenig Plattformen haben. Marginalisierte Gruppen brauchen Räume, um sich an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen – und dazu gehört auch das kulturelle Leben. Wenn diese mit juristischen Kniffen verhindert oder in kommerzialisierbare Bahnen gelenkt werden soll, ist dies ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit.
Wir fordern ganz klar: Die Entscheidung, welche Art von Versammlung oder Veranstaltung für öffentliche queere Anlässe am besten passt, muss bei den queeren Organisator*innen liegen und nicht bei Behörden. Die Diskussion über politischen Anspruch und Inhalte ist wichtig. Die gegenseitige Kritik und der Austausch darüber muss aber in der queeren Community stattfinden und darf nicht über behördlich beauftragte Rechtsgutachten erfolgen!
Aber ich möchte in meiner Rede auch noch einmal darauf eingehen, was wir uns eigentlich wünschen für die Versammlungsfreiheit in Sachsen. Was eigentlich in einem neuen Gesetz stehen müsste.
Wir wollen, dass Ordner*innen nicht als Hilfssherriffs der Cops eingespannt werden, sondern selbstbestimmter Teil der Versammlung sein können. Ohne Alterskontrolle, Ausweiskontrolle und Ausspähung über behördliche Datenbanken!
Wir wollen Schutz vor staatlicher Überwachung auf Versammlungen, sei es durch Videoaufnahmen oder Vorkontrollen!
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viele Daten Ordnungsämter gerne erfassen und speichern. Da drüben, 500m weiter im Stadtbezirksamt Altstadt sitzt die Versammlungsbehörde Dresden. Sie sitzt dort auch auf jahrzehntealten Adressen und Kontaktnummern von mir. Die sind schon längst nicht mehr aktuell. Aber löschen wollen sie die trotzdem nicht. Dafür geben sie die umso lieber an das Landesamt für Verfassungsschutz. Oder auch mal versehentlich an wildfremde Privatpersonen, nur weil die ungefähr zeitgleich auch eine Kundgebung angezeigt haben. Und dann wundern sich die Grünen und die SPD, warum wir keinen Bock darauf haben, dass noch viel mehr Daten erfasst werden? Warum wir es kritisch sehen, dass in den Händen irgendwelcher Sachbearbeiter*innen Namen und Adressen und Informationen aus Datenbanken von Repressionsbehörden landen?
Aus unserer Erfahrung vieler queerer Veranstaltungen und rechter Bedrohungen und Angriffe stellen wir folgende Forderungen auf:
Wir wollen einen wirksamen Schutz marginalisierter Gruppen. Sie sollen Versammlungen unbeschadet und ohne Bedrohungen frei durchführen können! In Bautzen, in Radebeul, in Pirna, in Weißenfels. Ich denke ihr wisst, warum ich gerade diese Städte aufzähle.
Solange, wie dieser Schutz nicht realisiert ist, sagen wir: passive Schutzausrüstung muss straffrei möglich sein! Auf den Schutz durch die Cops können und wollen wir uns nicht verlassen!
Und wir wünschen uns: Weg mit dem anachronistischen und unnötigen Vermummungsverbot! Der Ausdruck geschlechtlicher und sexueller Freiheiten auf Versammlungen muss frei sein, auch wenn es um Fetischkleidung und Puppy-Masken geht. Unser Black Block trägt finsterstes hautenges Latex, nachtfarbenen Glitzer und schwarze Polyester-Perücken – und das ist gut so!
Bevor ich meine Rede beende, habe ich euch eine kleine Überraschung mitgebracht. Es ist ein Ausschnitt aus dem Aufruf für die Queer Pride Dresden am 22. Juni hier in Dresden. Und ich denke er zeigt ganz gut, wofür wir unsere Versammlungsfreiheit verteidigen. Wofür wir unsere Grundrechte einfordern. Wofür wir immer wieder auf die Straße gehen werden, egal wie hart die Zeiten sind!
Queer sein und Antifaschist*in sein – das sind für uns ein und dieselbe Sache. Es ist ein Kampf!
Deswegen sagen wir: „Unite!“ – schließt euch zusammen! Das meinen wir als Aufruf. Vereinzelt und alleine wird es uns nicht gelingen der alltäglichen Queerfeindlichkeit, den überhöhten Mieten, der Ausbeutung auf Arbeit, den Räumungen, Abschiebungen und der strukturellen Gewalt den Kampf anzusagen. Es wird nicht mit einer einsam rufenden Stimme gelingen, die Nazis aus den Parlamenten und von der Straße zu drängen. Aber mit vielen wird es gelingen!
Deswegen sagen wir: „Resist!“ – leistet gegen diese Zustände Widerstand. Steht eurer Kolleg*in of Colour solidarisch zur Seite. Besetzt Räume, streikt, blockiert Abschiebungen und Naziaufmärsche. Belest euch, schult euer kritisches Denken, fangt an zu Handeln. Zeigt euch solidarisch, tut euch zusammen. Nur so wird unsere Zukunft gelingen!
Deswegen sagen wir: Kommt am 22.06. vorbei! JOIN OUR FIGHT – JOIN THE PRIDE!