Stoppt den Krieg! – ein queerfeministisches Statement
Ein Aufruf für queere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und einige Anhaltspunkte, wie diese praktisch aussehen kann.
Wir verurteilen Putins Angriff auf die Ukraine und möchten zur Solidarität aufrufen. Nicht mit einem Staat, nicht mit einer nationalen Ideologie, nicht zur heldenhaften Aufopferung für irgendein Heimatland. Sondern für die Unterstützung derjenigen, die von physischer Vernichtung und politischer Entrechtung bedroht sind.
In Kriegs- und Krisenzeiten treffen die Konsequenzen marginalisierte Menschen am stärksten. In der Ukraine betrifft das ganz besonders die LGBTIQ*-Community. Seit knapp 30 Jahren kämpft die queere Bewegung in der Ukraine unablässig für Menschenrechte. Und ja, diese Bewegung war und ist bitter nötig, auch gegen Intoleranz der Mehrheitsbevölkerung und Benachteiligung durch die Regierung. Bevor der Krieg begann gab es parlamentarische Debatten um ein Anti-Hate-Crime-Gesetz und Initiativen für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Es gab viele Rückschläge, aber auch Erfolge. Doch nun drohen die hart erkämpften Freiräume in der Ukraine im Handumdrehen verloren zu gehen.
Und auch in Russland wird sich die schon lange bestehende Diskriminierung queerer Menschen weiter verschärfen. Aggression nach außen und Repression nach innen sind zwei Seiten der gleichen chauvinistischen, autoritären Politik von Putin. Dieser müssen wir unsere entschlossene Solidarität entgegen stellen.
Hinzu kommt die Verfolgung von russischen und belarussischen Dissident*innen, die im ukrainischen Exil leben. Darunter Journalist*innen, Aktivist*innen und Menschen, die sich einfach nur nicht verstecken, sondern ein selbstbestimmtes Leben führen wollen. Viele von ihnen haben Angst, auf Todeslisten der russischen Geheimdienste zu stehen und nach einer erfolgreichen Invasion gejagt, gefoltert, getötet zu werden. Die brutale Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien könnte ein grausames Comeback erleben. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden!
Wir fordern:
- finanzielle und humanitäre Hilfen für die LGBTIQ*-Community in der Ukraine
- die Aufnahme und den Schutz aller queerer Geflüchteten aus der Ukraine
- Asyl für alle Opfer von Vertreibung und Gewalt, egal welcher Herkunft
- die Unterstützung der kritischen russischen Opposition. Machen wir auch ihre Stimme stark, statt sie aus nationalistischer Abgrenzung für die Verbrechen der russischen Regierung in Geiselhaft zu nehmen.
Dieses Jahr steht das 10-jährige Jubiläum der Kiev-Pride an. Wir hoffen, dass der Angriff bald eingestellt wird, der Krieg schnell wieder vorbei ist. Wir träumen davon, dann mit unseren Freund*innen für eine vielfältige, freie Zukunft auf die Straße gehen zu können. Doch wir befürchten das Schlimmste. Tun wir alles dafür, dass diese Befürchtungen nicht eintreten werden und das den vom Krieg betroffenen Menschen jede erdenkliche Unterstützung zuteil wird.
Und das ist keine leere Phrase. Heute zeigt sich, wie wichtig eine solidarische, linke, international vernetzte queere Community ist. Die Prague Pride koordiniert Hilfe bei der Ausreise, Übersetzung und Unterkünfte. Die Kiev Pride sorgt sich nicht nur um Verteidigungsmaßnahmen vor Ort, sondern baut auch politischen Druck auf, damit trans Frauen unabhängig vom Status ihres Passes ausreisen dürfen. GenderZ aus der Ukraine koordiniert humanitäre Hilfsmaßnahmen. Diese Bemühungen sollten wir aufgreifen und unterstützen. Politisch, praktisch und finanziell.
In Deutschland werden z.B. über der Spendenaktion „Queere Nothilfe Ukraine“ Mittel für die dringend notwendige Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen gesammelt. Mit Spenden dahin könnt ihr zielgenau supporten.
Langfristig müssen wir unsere queeren Netzwerke stärken. Wir wollen nicht nur reagieren und Schlimmeres abwenden, sondern uns für ein besseres Leben für alle einsetzen.
Oder wie es im Aufruf zur heutigen Demonstration heißt: Für Freiheit, Selbstbestimmtheit und Solidarität!
Alle rechten, reaktionären, chauvinistischen Kräfte, die uns weiter unterdrücken wollen, sollten sich eines ganz klar machen:
Wir werden niemals aufhören zu kämpfen, für unsere Freiheit und unsere Rechte!