Auf Einladung der tin*-Vernetzung Dresden fand am 20. November in Dresden wieder eine Mahnwache für die Opfer transfeindlicher Gewalt statt. Ab 15:00 Uhr kamen auf dem Alaunplatz rund 100 Menschen zusammen, um zu Trauern und zu Gedenken. Laut dem Monitoring von Transgender Europe wurden in den vergangenen 12 Monaten 327 Mordfälle an trans, nichtbinären und agender Menschen öffentlich bekannt. Nach dem Suizid von Ella N. 2021 war mit Malte C. auch in der aktuellen Berichtsperiode wieder ein Todesfall in Deutschland zu beklagen.
Überschattet wurde die Trauerkundgebung durch die erschütternde Nachricht aus Colorado Springs (USA), wo in der Nacht zum Sonntag in dem Club Q durch einen bewaffneten Täter mindestens fünf Menschen getötet und 18 verletzt wurden. Am 20.11. sollte in dem queeren Club eine Veranstaltung zum Transgender Day of Remembrance stattfinden.
Auf der Mahnwache wurden die Namen der Opfer mit Kreide niedergeschrieben und eine Schweigeminute abgehalten. Viele der Trauernden hatten Kerzen und Blumen mitgebracht, die bei den Namen abgelegt wurden. Begleitet wurde die knapp zweistündige Kundgebung durch Redebeiträge sowie ein gemeinsam mit dem Demo-Chor angestimmtes Lied. Neben Berichten über andauernde transfeindliche Angriffe in Deutschland wurde auch auf die Wichtigkeit von gegenseitiger Unterstützung hingewiesen.
„Wir müssen unsere Kämpfe verbinden, denn es gilt, jede Diskriminierung zu überwinden. Nicht zuletzt weil viele unserer ermordeten Geschwister von mehr als einer Unterdrückungsform betroffen waren. Auch in diesem Jahr weisen die Daten auf einen besorgniserregenden Trend hin, wenn es um die Überschneidungen mit Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und der Stigmatisierung von Sexarbeiter_innen geht. Die meisten Opfer sind Frauen of color, Frauen mit Migrationshintergrund, sowie Sexarbeiter_innen.“ hieß es dazu in den einführenden Worten zur Mahnwache.
Ein Beitrag der Antifaschistischen Initiative Löbtau erinnerte an die Wichtigkeit von widerständigem Aktivismus und eines gemeinsamen Kampfes „vereint in unserer Verschiedenheit“ gegen Unterdrückung. Die Hoffnung, sich individuell durch Verstecken oder Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen und Normen vor alltäglicher Ausgrenzung, rechtem Hass und struktureller Gewalt schützen zu können, sei zwar verständlich, aber auch vergeblich. In Bezugnahme auf die Stonewall Riots wurde dagegen die Wichtigkeit eines feministischen Selbstbewusstseins und gelebter antifaschistischer Solidarität betont.
Als Queer Pride Dresden haben wir uns sehr darüber gefreut, den Gedenktag unterstützen zu können. Wir dokumentieren hier unser Grußwort für die Mahnwache.
Was bringt uns heute zusammen? In der Einladung für die heutige Mahnwache wurde eine Zahl genannt. Ein trockener, statistischer Wert, eine Summe in einer sorgfältig geführten Tabelle.
Doch hinter der Zahl 327 stehen Schicksale, hinter den Namen auf der Liste verbergen sich Menschen, Leben, Zukunftspläne, Kämpfe und soziale Beziehungen. All diese wurden ausgelöscht, und es bleibt uns nur die Erinnerung.
327 ist ein Datenpunkt, nüchtern, scheinbar gefühlslos. Doch in diesem Datenpunkt codiert ist der Schmerz des Verlustes, der Schmerz hinter all dem, was hätte sein können, was hätte sein wollen, ja hätte sein müssen – und doch nicht mehr ist.
Die Gefühle von Trauer, von Wut und Verzweiflung, von Wehmut und Widerstand sind für uns schwer in Worte zu fassen und noch schwerer zu ertragen. Als Queer Pride Dresden, als trans Menschen und Allies können wir nur versuchen, in solidarischer Unterstützung zusammen zu stehen.
Anlässlich des Gedenktages für die Opfer von Transfeindlichkeit richten wir unser Mitgefühl an alle Freund*innen und Angehörige, sei es in Herkunfts- oder Wahlfamilien. Unsere Gedanken sind bei ihnen. Wir wünschen ihnen viel Kraft und sagen: Ihr seid in eurer Trauer nicht allein!
Wir stehen zusammen im Gedenken an die Opfer von Transfeindlichkeit.
Wir stehen zusammen im Kampf um Gleichberechtigung, um Anerkennung und Sicherheit.
Im Kampf um unsere Leben und unsere Freiheit ist niemand vergessen!
Auch in Deutschland gab es dieses Jahr wieder Opfer transfeindlichen Hasses. Frühmorgens am 02. September ist Malte C. im Krankenhaus gestorben. Wenige Tage nach dem brutalen Angriff am Rande des Münsteraner CSDs ist er seinen Verletzungen erlegen.
Als einen der 327 möchten wir heute stellvertretend an Malte erinnern. An Malte als einen Menschen, der für Gerechtigkeit einstand. Einen Menschen, der für sich und andere eingestanden ist. Einen Menschen, der angesichts queerfeindlicher Diskriminierung nicht weggeschaute, sondern aktiv gegen diese angetreten ist. Wir wollen unsere Gefühle und unsere Erinnerung an Malte als solidarischen und starken Menschen widmen.
Ihr alle, die ihr heute mit euren Namen sichtbar gemacht wurdet,
ihr alle, die ihr noch nicht einmal gezählt worden seid – Rest in Power!