Auf dieser Seite findest du die Redebeiträge zum Tag der Queer Pride Dresden.
„Queer Resistance“ von der AIL
Liebe Queers und liebe Allies aller Farben!
Liebe Demonstrierende, liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen!
Wir von der AIL wollen unseren Redebeitrag der widerständigen queeren Praxis widmen.
Wer aufmerksam die Nachrichten verfolgt, wer immer mal einen Blick in die sozialen Netzwerke wirft, wer in der Community zuhört: immer noch und immer wieder begegnen uns Berichte von Queerfeindlichkeit, Abwertung und Gewalt. Und viel zu oft kommt die Befürchtung auf, dass es nicht besser, sondern eher schlimmer werden könnte. Doch was können wir tun, um daran etwas zu ändern?
Die bürgerliche Antwort ist simpel: passt euch an, fallt nicht so sehr auf, dann passiert euch auch nichts. Imitiert bitte mit Homo-Ehe und Hosenanzug so gut es eben geht genau die beengten Normen, die euer Ausbrechen daraus eben noch so hart bestraften. Oft noch verbunden mit dem Hinweis, dass man sich doch an die Polizei wenden könne. Mit der Anpassung an den heterosexuellen Standard wird so ein sichereres Leben versprochen.
Wir wissen: Das ist Bullshit! Nicht die Queerness ist es, die uns gefährdet, sondern Queerfeindlichkeit! Nicht die Assimilation beschützt uns vor Übergriffen, sondern unser Aufschrei dagegen! Gegen menschenfeindliche Arschlöcher und faschistische Schläger hilft nicht Verstecken und Selbstverharmlosung, sondern feministisches Selbstbewusstsein und gelebte antifaschistische Solidarität!
Die Selbstverteidigungstrainings der selbstironisch benannten „Homokommandos“ in Polen sind ein mutiges Beispiel dafür, wie erfolgreiche queere Gegenwehr aussehen kann.
Und auch der Blick zurück in die Christopher Street, die Erinnerung an die Erfahrungen vor den Stonewall Riots ist eine Warnung. Sie mahnt uns zur Vorsicht gegenüber der Hoffnung auf Anerkennung durch Assimilation.
Diese Hoffnung, die auch in linken queeren Kreisen immer mal wieder hoch kommt, ist leider so nachvollziehbar wie falsch. Wie schön einfach wäre es doch, wenn wir mit etwas weniger bunten Haaren, mit dem Verzicht auf ungewohnte Pronomen, mit der Abkehr von sündhafter Polyamorie in den Schoß der ach so freien und gleichen bürgerlichen Gesellschaft zurückkehren könnten.
Doch sind es nicht gerade die trennenden, unterdrückenden, ausgrenzenden Mechanismen, die auf der einen Seite diese Gesellschaft am Laufen halten, und auf der anderen Seite hart diskriminieren? Sie werden nicht weniger, nur weil wir uns ihnen freiwillig unterwerfen. Sie werden weniger, wenn wir sie aufdecken, kritisieren und abschaffen!
Diese Hoffnung ist auch deswegen falsch, weil der Staat diejenigen von uns, die nicht in seine Ordnung passen, gewaltsam in Psychiatrien, Knäste oder Abschiebehaft sperrt. Weil Sexarbeiter*innen immer noch stigmatisiert und ins soziale Abseits gedrängt werden. Weil Cops nicht schützen, sondern nur zu gerne schikanieren.
Der Glaube an diese Erzählung ist gefährlich, weil sie uns den Mut nimmt, vereint in unserer Verschiedenheit für unsere gemeinsamen, unteilbaren Menschenrechte einzutreten. Wir dürfen uns nicht davon abhalten lassen, uns zusammenzutun und uns gemeinsam Raum zu nehmen!
Lasst uns Zärtlichkeit und Zorn zusammen bringen!
Lasst uns gemeinsam feiern und gemeinsam kämpfen!
Denn Pride ist nicht nur heute, Pride ist jeden Tag im Jahr!
Für die Dekonstruktion der Norm, für die Überwindung des Kapitalismus, für die Zerschlagung des Patriarchats!
We’re here, we’re queer – we’re fabulous, don’t mess with us!
„Stalking und Umgang der Polizei mit BiPoc in diesem Kontext“ von Darian
Darian Okakpu, ein Nigerianer mit walisischen Wurzeln, zog von Großbritannien nach Deutschland nach Deutschland, um an der TU Dresden zu promovieren.
Sein Traum von einer wissenschaftlichen Ausbildung wurde durch gewalttätige Extremisten und Kriminelle in der Dresdner Neustadt in Frage gestellt.
Am Abend des 13. Juni 2020 wurde Darians Freundin von einem Mann sexuell belästigt, den sie höflich zurückwies. Als sie merkten, dass sie umzingelt waren, schnappte sich Darian schnappte sich Darian seine Freundin und flüchtete.
Doch damit war es noch nicht vorbei.
Der Täter verfolgte sie und griff Darian körperlich an. Die Polizei wurde gerufen und identifizierte den Täter. Die Polizei lud sie nie zu einer Befragung ein, wie sie versprochen hatte.
Zwei Tage später, als Darian mit vier Freunden in der Neustadt unterwegs war, wurde er von einem anderen, unbekannten Mann angegriffen. Dieser kam auf Darian zu, bewarf ihn mit Müll, bespuckte ihn und sagte „du rufan Polizei, du wurst Sterben“. Er schlug Darian und verfolgte ihn mit einer Flasche fast 2 km weit… Er versuchte, Darian zu töten, aber Darian entkam und wurde später von seinen Freunden gerettet.
Darian wurde klar, dass es ernst war, und so gingen sie am nächsten Tag zum Polizei-Polizeipräsidium am Pirnaischen Platz. Die Polizei war nicht sehr hilfsbereit, und nach einigem Hin und Her willigten sie schließlich ein, die Anzeige aufzunehmen.
In den folgenden Monaten verfolgte, belästigte, bedrohte und attackierte der Täter Darian und andere Personen immer wieder. Der Täter begegnete Darian in Cafés, Restaurants, Bars… beim Einkaufen, beim Spazierengehen, in öffentlichen Verkehrsmitteln… und bedrohte, belästigte und attackierte ihn. Nach Monaten fand der Täter Darianund seine Freunde vor der BOYS-Bar. Der Täter begann, üble homophobe Beschimpfungen zu schreien zu beschimpfen: „SCHWUCHTEL! SCHWUCHTEL! SCHWUCHTELN WIE IHR HABEN HIER NICHTS ZU SUCHEN!“ ….
Darian dachte lange Zeit nach…
„Schwuchteln wie ich gehören nicht hierher? Vielleicht hat er ja recht.“
Darian suchte Hilfe und Unterstützung von ALLEN Seiten.
Im Grunde halfen nur Gerede und die RAA Sachsen – die anderen – namentlich der CSD Dresden HABEN SICH NICHT EINMAL DIE MÜHE GEMACHT, AUF DARIANS NOTLAGE ZU REAGIEREN. Sie weigern sich bis heute, sich sinnvoll zu engagieren. Schande über sie!
Darian wurde auf fast allen Straßen der Neustadt angegriffen, und alles war öffentlich. In der Görlitzer Straße wurde er DREIMAL angegriffen, in der Rothenburgerstraße ZWEIMAL MAL, Alaunstr. VIERMAL, Louisenstr. DREI MAL. Genau so auf der Bautzner Straße, dem Martin-Luther-Platz, auf Bischofsweg, Bischofsplatz und Alaunplatz.
Aber Darian hat nie aufgegeben! Selbst als seine Freunde ihn im Stich ließen. Der Kampf für die Befreiung der Queers Kampf war zu viel, wenn sie doch nur ihr Leben in Freiheit genießen wollten. Wer wollte das auch nicht?
Darian kämpfte jeden Tag für seine Rechte, und für unser aller Rechte.
Die Gewalt eskalierte nach 13 Monaten der Misshandlung im Juli 2021 erneut. Darian, ich und mein Sohn waren auf dem Heimweg von der Schule, als der Täter uns auf der Alaunstraß überfiel und Darian packte. Es gelang mir, ihn zu befreien, aber der Täter schubste mich und meinen Sohn zurück.
Wir schrien um Hilfe, wir schrien, dass jemand die Polizei rufen solle, aber es antwortete niemand. Die Leute sahen nur zu… und sagten uns schließlich, wir sollten den Mund halten, obwohl sie gerade ein weiteres gewalttätigen Hassverbrechen in den Straßen Dresdens sahen. Dies ist die Geschichte der Ausgegrenzten und Unterdrückten. Es ist sicherer, dem Opfer die Schuld zu geben, als sozialen Mut zu zeigen. Darian hat das jetzt verstanden.
Das Gleiche passierte bei der Tolerade 2021, aber dieses Mal machte Darian ein gutes Foto des Täters. Und seine Freunde wussten, wie sie reagieren mussten, sie hielten die Angreifer von Darian fern.
Dank dieser Aktion konnte die Polizei den Täter schließlich identifizieren und seinen Ausweis sicherstellen. Endlich, nach 14 Monaten, hatte die Polizei ihre Arbeit getan.
Doch damit war es noch nicht vorbei.
Wieder versäumte es die Polizei, Darian zu einer Befragung einzuladen, und die Polizei verlor den Beweis – den Namen des Täters! Ein weiteres Beispiel für polizeiliches Fehlverhalten.
Erst nach monatelangem Druck auf leitende Polizeibeamte und den Polizeipräsidenten fanden sie endlich dieses Beweismaterial, und wir kannten endlich seinen Namen.
Doch damit war es noch nicht vorbei.
Der physische, psychische und soziale Schaden für Darian war extrem. Der strukturelle Rassismus und die Homophobie waren unerträglich. Er musste die Arbeit an seiner Doktorarbeit aufgeben, und schließlich musste Darian sein Promotionsstudium ganz aufgeben.
Doch damit war es noch nicht vorbei.
Die Polizei lud Darian immer noch nicht zu einer Befragung ein, trotz mehrerer Briefe von seinem
Anwalt.
Es war uns klar, dass die Polizei und die Institutionen die Sache nicht ernst nehmen, dass sie diese gewalttätigen Hassverbrechen nicht untersuchen.
SCHWULE MÄNNER, FRAUEN, TRANSSEXUELLE, ALLE QUEEREN MENSCHEN WERDEN TÄGLICH GETÖTET
WEGEN DIESER POLIZEILICHEN NACHLÄSSIGKEIT!
WACHT AUF, LEUTE!
Die Bürgerrechtsbewegung war nicht genug. Der queere Freiheitskampf ist noch nicht vorbei! Erst dieses Jahr wurde ein lesbisches Paar von einer Gruppe von Männern gewaltsam angegriffen und angepöbelt, nur weil es sich vor dem Simmel am Albertplatz geküsst hatte. Dieses Jahr hat derselbe Täter
mindestens eine weitere queere Person of Color, unsere Freundin, belästigt. Vor zwei Jahren ermordete der Islamische Staat in Dresden Altstadt brutal einen schwulen Mann und verletzte seinen Partner schwer. 2018 wurde ein schwuler Mann in Chemnitz von Rechtsextremen brutal zu Tode geprügelt, gerade jetzt werden queere Flüchtlinge in den Lagern in DRESDEN angegriffen! Die Liste geht weiter und weiter…
Wir haben die sächsische Justizministerin kontaktiert, hochrangige Polizeibeamte wie Dirk
Möller, der der zentrale LGBTQI+ Ansprechpartner der Polizei ist – er hat nie geantwortet. Wir haben Susan Lorenz, die Zeugenschutzbeauftragte kontaktiert – sie hat nie geantwortet.
Es wird keine Schweigeminute für all die Gefallenen und ihre Familien geben. Wir sprechen für alle, wenn wir sagen: ENOUGH IS ENOUGH. Wir wünschen Ihnen Heilung, und Gesundheit, und Sicherheit und GERECHTIGKEIT.
Die Gewalt ist nicht vorbei, der Täter ist immer noch da draußen, völlig frei trotz seiner schrecklichen Verbrechen, die sich gegen Darian und andere in unserer Gemeinschaft richteten.
Wir brauchen also eure Stimme, wir brauchen eure Unterstützung…
Lasst uns die harte Arbeit beginnen….
„trans und neurodivers“ von Minzgespinst
Ich gehöre nicht dazu.
Ein Gedanke, der meine Kindheit und Jugend prägte. Ein Gedanke, nein, eine Gewissheit, die mir verbal und nonverbal von all meinen Umfeldern, ob Familie, Schule oder Sportvereinen, immer wieder vermittelt wurde. Bis ich irgendwann selbst daran glaubte und mich von mir aus zurückzog.
Ich bin trans, nichtbinär und Autist_in. Für mein trans Sein hatte ich damals keine Worte, meine Neurodivergenz schloss mich – obwohl nicht ersichtlich und erst spät abschließend diagnostiziert – effektiv aus.
Die Abneigung eines kleinen Dorfes gegen jene, die „anders“ sind, kennt keine Grenzen. Eine hübsche Ironie, in allen anderen Themenfeldern sind Grenzen überaus wichtig und werden gerne gesehen – und gezogen.
Alle queeren Personen kennen das Gefühl, nicht dazuzugehören.
Gerade meinen nichtbinären Geschwistern wird auch das auch – in Teilen – von der trans Communitiy vermittelt: Wir seien nicht trans genug. Wir wurden „hier beliebige Vorstellung einfügen“ nicht ausreichend erfüllen.
Als neurodivergente Person sind queere Räume oft zu bunt, zu laut, zu schrill und zu flashig – und emotional aufgeladen.
Die richtigen Worte zu wählen, nicht zu verletzen, nicht zu diskriminieren: Gar nicht so einfach, wenn das Gespür für Situationen, subtile Hinweise und gesellschaftliche Erwartungen fehlt. Trust me, wir machen das nicht absichtlich! Wir nehmen nur erst wahr, dass wir offensichtlich einen Fehler gemacht haben, wenn wir darauf deutlich – as in „das war diskriminierend!“ – hingewiesen werden. Subtile Hinweise (bevor es zum wütenden Ausbruch ob unserer „Ignoranz“ kommt), werden von den meisten neurodivergenten Menschen ohnehin schlecht bis gar nicht wahrgenommen – Nervosität, in neuen Räumen zu sein und die Angst, etwas „falsch“ zu machen, machen alles nur noch schlimmer.
Gleichzeitig wird – sowohl innerhalb der (vor allem trans) Community, aber auch wissenschaftlich, nach Kausalität oder zumindest Korrelation von trans und Neurodivergenz gefragt.
Nun, wir haben zwei sehr kleine Gruppen, die gleichzeitig in höchstem Maß pathologisiert werden – die besten Voraussetzungen, um als Testhäschen oder Versuchskaninchen für wissenschaftliche Forschung zu dienen.
Ich persönlich – so spannend wie gefährlich ich wissenschaftliche Grundlagenforschung auch finde – würde anders fragen: Brauchen wir wirklich weitere, pathologisierende Forschung und Erkenntnisse, um unsere Räume inklusiver zu gestalten?
Auch zwischen den „sogenannten Normalen“ und allen Neurodivergenten wird diese Binarität, eine Binarität, die uns zu „den anderen“ degradiert, derzeit gelebt. Eine Binarität, die zwischen „normaler“ und „anderer, irgendwie schlechterer“ Kommunikation, Bedürfnissen, Reizverarbeitung unterscheidet.
Die dafür sorgt, dass für queere, neurodivergente Menschen weniger bis kein Platz in unseren Räumen ist – oder wir uns viel, viel mehr anstrengen müssen, um bleiben zu dürfen.
Fehler, die aus „nicht können/nicht erkennen“ resultieren, werden als „nicht wollen“ interpretiert. So wie übergriffige, dya-cis Männer als Grund herangezogen werden, um trans Frauen den Zugang zu Frauentoiletten zu verweigern, sind ignorante, neurotypische Menschen der Grund, warum wenig bis keine Fehlertoleranz für unsere Kommunikation aufgebracht wird. Die Geduld mit „gespielter Ahnungslosigkeit“, um ignorant sein zu können, ist aufgebraucht.
Ich verstehe das.
Doch genauso wenig, wie trans Frauen für privilegierte, übergriffige, dya-cis Männer verantwortlich sind, so wenig sind es neurodivergente Menschen für übergriffige, ignorante, neurotypische Personen.
Bitte bedenkt das, wenn Menschen auf subtile Hinweise, eurem Empfinden nach, ignorant wirken – vielleicht bemerken sie diese wirklich nicht.
Demos, CSD, Kundgebungen sind mit vielen Geräuschen, Gerüchen, Reizen und oft auch mit Polizeigewalt verbunden. Gruppen und Organisationen oft nicht inklusiv.
Vielen neurodivergenten, queeren Menschen bleibt somit „nur“ der Online-Aktivismus, oft belächelt und nicht ernst genommen, um unsere politische (Bildungs-) Arbeit und Sichtbarkeit zu ermöglichen. Auch ich kann heute nicht vor euch stehen. Ihr hört meine Stimme, aber ihr seht mich nicht. Ihr merkt, mein „uns“ wechselt wie mein Geschlecht – immer passend zur Situation.
Für euch rede ich heute hier, für meine queeren, meine nichtbinären, meine neurodivergenten Geschwister. Ich möchte euch Sichtbarkeit geben und eine Stimme. Ich möchte meine Stimme erheben, meine Erfahrungen, die oft auch eure sind, teilen – ohne für euch zu sprechen. Jede neurodivergente Person ist einzigartig, unsere Erfahrungen mit Ableismus sind es leider nicht. Ich weiß, dass im Publikum Menschen sind, die mit ihrer eigenen Neurodiversität kämpfen, weil diese bei queeren Personen noch seltener diagnostiziert wird, als im patriarchalen System bei cis Frauen. Ich sehe euch, ich höre euch, ich bin heute hier, um unsere Perspektiven zu zeigen.
Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein.
SMASH THE BINARY, auf das wir inklusiv und gemeinsam gegen Patriarchat und ableistische Machtstrukturen in der Gesellschaft und unseren Räumen kämpfen!
„queere Menschen auf dem Land“ von Queer Liberation Leipzig
Hallo, ich bin Tyra von Queer Liberation Leipzig und ich ich rede heute über die Situation von
queeren Menschen auf dem Land.
Der Redebeitrag richtet sich vor allem an Großstadtqueers und ganz besonders ans sogenannte Allies, allerdings geht es nicht darum, um Hilfe zu betteln oder die Community noch mehr zu spalten, als so schon, sondern ich will darauf aufmerksam machen, dass viele queere Menschen nicht das Privileg haben, in einer Großstadt zu wohnen. Es fühlt sich komisch an, queere Menschen als privilegiert zu bezeichnen, denn wir sind ja irgendwie alle stark von Gewalt und oft auch Unsichtbarmachung betroffen. Aber dennoch ist es ein Privileg, in einer Großstadt zu wohnen. Denn schon die Anonymität schützt. Und zusätzlich gibt es potenziell mehr queere Menschen zur Vernetzung und Unterstützung, allgemein höhere Toleranz, wobei es da auch schon auf die Stadt bzw. den Stadtteil ankommt, und einen besseren Zugang zu Medizin und Hilfsangeboten.
Im ländlichen Raum sieht es da schon anders aus. Mit Anonymität ist da oft nichts, und auch nur ein kleinstes Abweichen von irgendwelchen Normen kann eine Person zum Dorfgespräch oder sogar zum Dorfgespött machen. Dadurch wird Mensch dann auch schnell betroffen von rechter Gewalt, denn gewaltbereite Neonazis fühlen sich im ländlichen Raum wohler, da sie außerhalb der sogenannten Multi-Kulti-Großstädte viel mehr Akzeptanz in der Bevölkerung finden und nicht oder zumindest selten mit Menschen, die nicht in deren Weltbild passen, konfrontiert werden. Und ganz ehrlich, ich finde das scheiße. Nicht nur, weil ich Nazis und deren Ideologie scheiße finde, sondern weil ich aus einem Dorf mit ca 80 Einwohner*innen komme und das Dorfleben mag und selber gerne wieder in einem Dorf leben würde. Aber als nicht-binäre trans Frau ist mir das einfach zu gefährlich. Ich hab keine Lust, dass mein queer sein den Dorftratsch dominiert. Ich hab keine Lust, von Faschos aufs Maul zu bekommen, weil sie mich verachten und ich deren heile Welt störe. Ich hab keine Lust, ewig lange unterwegs zu sein, um zu queerfreundlichen Ärzt*innen zu kommen. Und ich hab keine Lust, dort mehr oder weniger alleine zu sein, weil viele queer sich nicht trauen, offen mit ihrer Queerness umzugehen und politisch aktiv zu sein. Und ich kenne viele queere Menschen, denen es da genauso geht.
Wenn die Großstadt-Antifa ihren jährlichen Ausflug zu einer Demo in der Provinz macht, ist einer der beliebtesten Sprüche „Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland!“ und ich wünsche mir dann jedes Mal, dass es mehr wäre, als nur ein Lippenbekenntnis. Denn doch, es gibt ein ruhiges Hinterland. Und das muss sich dringend ändern!
Wir brauchen keine Großstadt-Antifas, die einmal im Jahr zu uns aufs Land kommen, um uns Solidarität vorzuheucheln. Wir brauchen richtige Solidarität, auch von Leuten, die nicht selber queer sind! Wir brauchen Hilfe beim Aufbau eigener Strukturen in Form von Skillsharing, oder dass ihr zu uns kommt und mit anpackt, oder uns zumindest Geld für die Finanzierung von Projekten gebt.
Wir brauchen bessere medizinische Versorgung. Queere Bildung und Sensibilisierung sollte für
Ärzt*innen und medizinische Fachangestellte verpflichtend sein. Und wir brauchen einen besser ausgebauten und bezahlbaren ÖPNV, denn viele Queers werden systematisch in die Armut getrieben, weil sie psychisch kaputt gemacht oder bei der Jobvergabe benachteiligt werden.
Und vor Allem brauchen wir eine starke antifaschistische Bewegung, die nicht nur auf Demos was von Nazis jagen oder wahlweise verprügeln redet, sondern auch wirklich mal die Faust aus der Tasche bekommt.
Hört auf, Verbündete zu sein. Kommt auf unsere Seite und werden Kompliz*innen!
„Uni“ von Fay Uhlmann
CN: Studium, Universität, Geschlechterbinärität, Toiletten, DGTI, Cisnormativität, Heteronormativität, falscher Geschlechtseintrag, Menstruationsprodukte, Sichtbarkeit queerer Menschen
Als ich 2018 mein Studium angefangen habe fühlte ich mich unsichtbar.
An der Uni gab es kaum Angebote zur queerness, eine Vernetzung mit anderen queeren Menschen schien mir damals unmöglich. Nur durch Glück und Zufall traf ich im Laufe meiner ersten Semester andere queere Menschen, Freund*innen, die mich bis heute begleiten.
Mittlerweile hat sich einiges geändert. Seit 2020 ist es möglich, sich an der TU-Dresden mit dem DGTI-Ergänzungsausweis einzuschreiben, dieses Jahr wurde zum IDAHOBIT das erste Mal die Progressive Pride-Flag am Rektorat gehisst, es gibt einen Leitfaden zur Geschlechterinklusiven Sprache, und ich bin seit kurzem als Queere-Peerberatung eine Zentrale Anlaufstelle für Queers der TU-Dresden und darf auch als queere Interessenvertretung fungieren. Ich fühle mich als queere, nicht-binäre Person sichtbarer.
Das hört sich erstmal ganz gut an, aber auch an einer Uni von der ja meist Progressivität vermutet wird gibt es noch viel zu tun.
Trotz der Akzeptanz des DGTI sind die IT-Systeme der TU meist noch binär. Mein eigener Geschlechtseintrag springt seit 2 Jahren im binären mit jeder meiner Beschwerden hin und her. Geschlechtsneutrale Toiletten sucht mensch am Campus verzweifelt und findet sie nur im Gebäude für Diversity-Management, oder im StuRa. Was die Schaffung von geschlechtsneutralen und FLINTA-Toiletten angeht gibt es Initiativen von studentischer Seite aus, so wie auch ein Konzept für kostenlose Menstruationsprodukte auf allen Toiletten. Die Umsetzung jedoch hängt allein von der Universität und dem sächsischen Hochbauamt ab. Dieses meckert nämlich, wenn ein bestimmter Weg vom Arbeitsplatz zu einer binär gegenderten Toilette nicht eingehalten wird. Somit können bestehende Toiletten nur schwer zu geschlechtsneutralen oder FLINTA* Toiletten umbenannt werden. Das alle Menschen auf geschlechtsneutrale Toiletten gehen können wird dabei anscheinend vergessen.
Auch haben einige Professor*innen an der TU-Dresden anscheinend immer noch nicht verstanden, dass es mehr als nur Mann und Frau, und nicht nur heteronormative Beziehungen gibt. Viele Beispiele in meinem und auch im Studium anderer waren und sind cis- und heteronormativ.
Wenigstens kann mensch aber der Unileitung zusprechen, dass sie daran interessiert und bemüht ist, etwas an der aktuellen Lage zu verändern. Doch es gibt noch sehr viel zu tun, und die Uni muss hier aktiver werden.
Das Campusleben, die Uni und ihre Lehre brauchen dringend eine geballte Ladung Queerness und Diversität. Wir brauchen queere Vernetzung, und queere Repräsentation in allen Strukturen der Universität, auch über die Universität hinaus.
Wir brauchen Sichtbarkeit und Akzeptanz queerer Menschen, in allen Lebensbereichen, UND ZWAR JETZT!
Redebeitrag von Gerede e.V.
Hallo liebe Menschen!
Es fetzt ganz sehr, dass es auch in diesem Jahr die Queer Pride in Dresden gibt! Und es fetzt ganz sehr, dass wir auch in diesem Jahr wieder einen Redebeitrag beisteuern können, um unseren Teil dazu beizutragen, dass heute Stolz auf der Straße unterwegs ist. Aber wir bringen auch ein Stück weit Wut auf und Unverständnis gegenüber den Verhältnissen mit!
So, aber wer sind wir eigentlich und für wen sprechen wir? Wir sind Anne und Alex vom Gerede e.V., dem Verein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Dresden und Ostsachsen, und wir schauen gleich mal ein bisschen auf die Zustände auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.
Wir freuen uns, dass seit Ende 2018 endlich auch Geschlecht jenseits von männlich und weiblich offiziell Anerkennung findet. Für inter* Personen. Zumindest auf dem Papier. Wir würden uns allerdings deutlich mehr freuen,
- wenn auch u.a. nicht-binäre Menschen nicht mehr darum streiten müssten, dass ihr Identitätsempfinden ausreichend und maßgeblich für einen entsprechenden Eintrag im Ausweis ist
- und wenn es keine Ärzt*innen mehr bräuchte, die Geschlecht attestieren und begutachten müssen. Weil Geschlecht nicht Biologie ist und es nichts zu begutachten gibt!
Es ist eine Farce, dass trans* Personen noch immer kostspielige, langwierige und in das Persönlichkeitsrecht eingreifende Gerichtsverfahren durchlaufen müssen. Selbst der Deutsche Therapeutentag spricht davon, dass die – ich zitiere – „vorgeschriebene(…) Zwangspsychotherapie (…) das Recht auf Selbstbestimmung und den Grundsatz partizipativer Entscheidung vor einer Behandlung (verletzt). Sie (,also die derzeitige Begutachtung,) widerspricht wesentlichen wissenschaftlichen Empfehlungen zur Beratung und Behandlung von transidenten Menschen“1. Ein Selbstbestimmungsgesetzt muss endlich kommen!
Wir haben uns selbst dabei beobachtet, wie wir beim Lesen des neuen Koalitionsvertrages völlig aus dem Häuschen gerieten, weil dort so viele wichtige Veränderungen festgeschrieben sind – z.B. dass alle Elternteile in einer Regenbogenfamilie bei der Geburt ihres Kindes selbstverständlich als Elternteil anerkannt werden (zumindest die verheirateten) – und angesichts dessen haben wir “Oh, wie progressiv!” konstatiert. Doch das ist nur “progressiv” angesichts des Stillstands und des Backlashs in den letzten Jahren. Wir haben vor und nach der Einführung der “EHE FÜR ALLE” einen regelrechten Stillstand erleben müssen…
Und so bleibt auch die aktuelle Bundesregierung weit hinter ihren Versprechen zurück, weder der nationale Aktionsplan wurde auf den Weg gebracht, noch gibt es ein halbes Jahr nach Regierungsbildung einen entsprechenden Gesetzesentwurf für das angekündigte Selbstbestimmungsgesetz. Dabei wäre es so wichtig, die Änderungen schnell und unverzüglich auf den Weg zu bringen. Die Idee eines Selbstbestimmungsgesetz ist nicht neu. Seit Jahrzehnten erarbeitet die Community unermüdlich entsprechende Vorlagen. Und auch andere Länder sind uns mittlerweile weitvoraus – u.a. Argentinien, Malta, Belgien, Neuseeland respektieren in und durch entsprechende(n) Gesetze(n) die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen. Es ist alles da! Worauf noch warten?
Kommen wir damit von der Bundes- auf die Landesebene: Wir würden uns auch deutlich mehr freuen, wenn das, was im Gesetz steht, auch eine Übersetzung in einerseits Landesrecht und andererseits in unseren Alltag findet!
Wir haben wenig gekonnt, wenn eine Person, die trotz aller Hürden endlich den Eintrag “divers” im Ausweis stehen hat, nicht die geforderte, “wahrheitsgemäße” Angabe bei der Vereinbarung eines Impftermins machen kann – weil die entsprechende Angabeoption bei der Frage nach dem Geschlecht schlicht nicht zur Verfügung steht. Oder wenn eine Person, die „divers“ im Ausweis stehen hat, den Freistaat verklagen muss, um eine staatliche Anerkennung ihres Abschlusses logischerweise nicht in männlicher oder weiblicher Form ausgestellt haben möchte.
Und wenn wir schon bei Armutszeugnissen sind, kommen wir gleich mal in den sächsischen Bildungs- und Gleichstellungskontext: wir haben einen Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt der Lebensformen, der sich die „Schaffung von Diskriminierungsfreiheit und Verbesserung der Akzeptanz“ auf die Fahnen schreibt. Als Maßnahme definiert er – ich zitiere – : „Bildungsprojekte zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sollen ein langfristig gesichertes, freiwilliges und ergänzendes Unterstützungsangebot für Schüler(*)innen (…), Lehrende sowie Eltern (…) im gesamten Freistaat Sachsen sein“2. Gleichzeitig fiel zum letzten Jahreswechsel plötzlich die Förderung unseres langjährigen queeren Bildungsprojekts “Respekt beginnt im Kopf!” nach 16 Jahren ersatzlos weg. Das einzige queere Bildungsprojekt in Dresden und Ostsachsen. In einer Region, in der es statistisch 40 % der Bevölkerung ekelhaft finden, wenn sich Homosexuelle auf der Straße küssen3, in einer Region, in der besonders rechte Einstellungen anzutreffen sind4.
Der Dresdner Stadtrat sprang dankenswerter Weise in die Presche: wir können nun seit Mai bis zum Jahresende wieder Projekte an Dresdner Schulen durchführen. So viel Einigkeit über die Fraktionsgrenzen der demokratischen Parteien hinweg haben wir selten gesehen, ein starkes Zeichen für Dresden! Und was passiert in Ostsachsen? Nichts… eine fatale Entwicklung, denn statt die Region attraktiver und queerfreundlicher zu gestalten, überlässt man den Raum der sich ausbreitenden rechten Hegemonie.
Das zeigt nicht zuletzt in welch prekären Strukturen wir uns befinden. Wenn die “ach” so wichtige Arbeit von jährlichen Projektanträgen abhängt, die jederzeit mit der Aussage „zu wenig Geld im Topf“ in den Boden gestampft werden können, dann läuft irgendetwas schief – nicht nur in Sachsen. Bildungs- und Beratungsarbeit im Bereich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt braucht selbstverständliche, langfristig gesicherte und solide Finanzierung. Diese Arbeit kann und darf kein Zugeständnis, keine sogenannte freiwillige Aufgabe sein. Sie schützt Leben.
Abschließend deshalb noch ein kurzer Schwenk zur kommunalen Ebene: am 10. Juli findet der 2. Wahlgang zur OB-Wahl statt. Für ein Mehr an Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung in Dresden sieht es ganz gut aus. Wir ermuntern uns deshalb alle, lasst uns wählen gehen! Ihr wollt noch mal wissen, wie die Kandidat*innen zur Gleichstellung in Dresden stehen? Unter wahlprüfsteine-gleichstellung-dresden.de findet ihr die Wahlprüfsteine des Netzwerks der Dresdner Gleichstellungsprojekte.
Auf der Homepage findet ihr demnächst auch alle Infos zu den derzeit laufenden Verhandlungen zum Dresdner Haushalt 2023/2024 und auch hier sieht vermutlich wieder prekär für die Jugendarbeit und die Gleichstellungsarbeit in Dresden aus. Von „Einsparungen“ und „Kürzungen“ wird wieder einmal gesprochen. Gemeinsam mit der Kampagne „Jugendarbeit sichern, Zukunft gestalten“ wird die derzeit entstehende Kampagne „Wir mit euch, Gleichstellungsarbeit sichern“ dagegen kämpfen. Wir freuen uns über Unterstützung!
Und genau diese Vernetzungen und gemeinsamen Kämpfe, in denen wir alle immer wieder verstrickt sind, geben uns Hoffnung und machen uns stolz auf das, was wir alle in den letzten Jahren erreichen konnten. Wir machen das gut – jeden Tag neu! …und wir sind ein WIR, ein großes, buntes, wunderbares WIR. Wir sind mutig und stark und wir kämpfen weiter! Jetzt und auch in Zukunft!
1 https://www.aerzteblatt.de/archiv/225768/40-Deutscher-Psychotherapeutentag-in-Stuttgart-Wir-brauchen-ein-Gesetz-zur-Finanzierung-der-Weiterbildung (22.06.2022)
2 Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration (Hg.) (2017): Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen (S. 24). Dresden: Eigenverlag.
3 Vgl. Oliver Decker & Elmar Brähler (Hg.)(2020): Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität (S.67). Gießen: Psychosozial-Verlag
4 Vgl. Vgl. Andreas Zick & Beate Küpper (Hg.) (2021): Die geforderte Mitte (S.56). Bonn: J.H.W.Dietz Nachf.
„Kleinfamilie“ von Antifa Kollektiv
Wir alle kennen sie: die klassische Kleinfamilie. Die meisten von uns sind in ihr aufgewachsen. Ich bin auch in ihr aufgewachsen. Wir alle kennen den Vater, der das meiste Geld ranschafft und der bestraft und belohnt. Wir kennen die Mutter, die entweder Hausfrau ist oder einen Teilzeit job macht und der man auch gehorchen muss. Und dann die Kinder, die Befehle entgegennehmen, die von den Eltern lernen was richtig und falsch ist; für die Eltern, gerade in jungen Jahren der wichtigste Bezugspunkt sind. In dieser Kleinfamilie lernen wir auch, dass genau diese der einzig wahrhaftige Weg ist um Kinder aufzuziehen und eine Familie zu organisieren.
Aber hinter ihrem Schein von Geborgenheit und Sicherheit verbirgt sich ein ganzes Netz aus autoritären Strukturen und Missbrauch. Sie ist letztendlich die Keimzelle des Faschismus.
Nicht zufällig machen alle rechte Parteien die Familie zu einen ihrer Hauptthemen. Auf der Website der AfD steht an erster Stelle zur Familienpolitik:Die AfD bekennt sich zur Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft. Auch auf der Wahlthemen Liste der NPD steht Familie an 2. Stelle und schon die NSDAP legte besonderen wert auf die Kleinfamilie in dem sie zum Beispiel das Mutterkreuz an Mütter mit besonders vielen Kindern verlieh. Dass Faschisten ein Familien- Fetisch haben ist nicht zufällig. In der Kleinfamilie wird die Blutideologie gepredigt. Uns wird beigebracht, dass die mit unserem Blut wichtiger sind, als alle außerhalb der Familie. Zu denen müssen wir eine Beziehung führen und uns um sie materiell und emotional kümmern. Das begünstigte die Blutideologie der Faschisten. Außerdem lernen wir in der Kleinfamilie von klein auf autoritätshörig zu sein und uns scheinbar natürlichen Hierarchien zu unterwerfen. Wir werden durch die Struktur der Kleinfamilie darauf trainiert in einem Staat hörige Bürger*innen zu sein. Regierbar zu sein.
Abgesehen davon ist die Kleinfamilie auch einfach ein nützliches Tool für den Staat. Sie nimmt dem Staat kostenlos die Betreuungspflege ab. Es ist doch ganz klar, dass (meistens die FLINTAs*) sich um die alten Menschen der Familie kümmern und die jungen Menschen versorgen. Wenn die Familien dies nicht tun würden, wäre eine Betreuung durch den Staat unmöglich und so baut der Staat gezielt auf unbezahlte Care- Arbeit. Und natürlich liefert die Kleinfamilie, die Kinder die der Staat braucht um zu existieren. Und deshalb flüstern uns Rechte zu die Familie sei ein wichtiges gut, was man schützen muss, was uns Sicherheit gibt. Doch schon das allein stimmt nicht: Laut einer Studie der Vereinigten Nationen, wurden 2017 rund 50 000 FLINTAs* weltweit von ihren Partnern oder anderen Familienangehörigen getötet. 2019 gaben die Jugendämter an bei rund 55.500 Kindern eine Kindesohlgefährdung in der Familie festgestellt zu haben. Darunter zählen, physische und psyschiche Gewalt, Vernachlässigung und sexuelle Gewalt. Die Familie ist alles andere als Sicher; für viele von uns heißt sie Gewalt und Trauma.
Doch die meisten von uns passen gar nicht in das Vater Mutter Kind Bild. Wenn wir Kinder kriegen wollen können wir gar nicht der monogamen hetero Kleinfamilie entsprechen schon allei wegen unser Genderidentität und unserer Sexualität. Und wir werden auch aktiv rausgehalten aus diesem Konzept. Ja, mittlerweile können schwule und lesbische Paare heiraten aber für alle anderen ist eine Hochzeit immer noch in unerreichbarer Ferne. Und selbst wenn wir heiraten und so wenigsten steuerliche Vorzüge kriegen, wissen wir alle wie schwer es ist als queeres Paar eigene Kinder zu bekommen oder zuadoptieren. Auf allen Bürokratischen Ebenen hindert uns der Staat daran Familien zu gründen. Wir passen einfach nicht in das Perfekte Bild der Kleinfamilie in der immer wieder Heterosexualität, Cis- sein und Monogamie gepredigt wird. Natürlich können wir uns jetzt darüber beschweren und nach der angeblichen „Ehe für alle“ auch „Kinder für alle“ oder „Kleinfamilie für alle“ fordern.
Aber ganz ehrlich: ich hab kein Bock darauf! Ich will mich gar nicht anpassen und dem normativen Familienkonzept nacheifern. Wenn wir schon nicht in das Idealbild der Kleinfamilie passen, dann machen wir doch einfach was anderes! Nicht konform sein ist doch ein Chance ganz eigene Familienkonzepte zu entwickeln. Queere Familienkonzepte die aus der faschistischen Kleinfamilie ausbrechen!
Wir Queers haben eine lange Geschichte der alternativen Familienkonzepte. Ich spreche zum Beispiel von den Houses der Voguing Community, die in den 60ern in der Trans und Schwulen POC Szene in den USA aufkamen. Houses sind Familien, die nicht auf Blutverwandtschaft basierten. Sie waren Wahlfamilien mit bewusst ausgewählten Menschen ; die Schutz boten von der queerfeindlichen und gewaltvollen Außenwelt. Lasst uns diese Geschichte wieder aufnehmen und uns von ihr inspirieren.
Lasst uns Familien gründen, bei dem Kinder nicht angewiesen sind auf eine monogame, romantische Beziehung von zwei Eltern. Lasst uns Familien Gründen, bei denen Kinder 3, 4,5 oder noch mehr Bezugspersonen haben. Wie viele Familien sind schon gescheitert an der romantischen, monogamen Beziehung der Eltern? Das muss nicht sein. Eine Familie kann aus ganz vielen Erwachsenen bestehen, die nicht romantisch aufeinander angewiesen sind. Warum ziehen wir nicht Kinder mit einem Netz von Freunden auf? Somit können wir uns entfernen von der Exlusivität und der Vormachtsstellung der „biologischen“ Eltern. Lasst uns Hierarchie kritische Familien bilden. Der Faschismus wird in unseren
Familien kein Platz haben! Lasst uns Familien gründen, die uns unregierbar machen und den Staat ins wanken bringen.Denn die Kleinfamilie ist nicht ein naturgegebenes Konstrukt! sie ist ein Glaubenssystem! Also lasst uns vom Glauben abfallen!“
Redebeitrag von Waldbesetzung Heibo
Hallo!
Wir sind der Heibo, eine Waldbesetzung bei Dresden. Hier soll Kies abgebaut werden- klimatechnisch ne ganz schöne kackscheiße. In ganz kurz: durch den Kiesabbau geht ein Moor kaputt und somit steht die Grundwasserversorgung der gesamten Region in Gefahr. Und wir wollen erst gar nicht anfangen über den Bausektor zu reden, für den der Kies abgebaut wird.
Damit wir weiter auf diesem Planeten leben und feiern können, müssen wir checken, dass wir die Grundlage davon nicht weiter zerstören dürfen. Wir setzen dieser Zerstörung den Versuch eines guten Lebens entgegen.
Wir reden heute als Einzelpersonen und nicht für die gesamte Besetzung.
Dennoch leben wir in der Besetzung mit anderen Menschen, mit denen wir auch ein solidarisches Leben abseits kapitalistischer normen aufzubauen.
Wir überlegen und probieren in unserem miteinander wie alle Bedürfnisse befriedigt werden können. Unser ziel ist es dabei möglichst schadfrei unserer Mitwelt zu begegnen und sind mit dem versuch eines solidarischen Zusammenlebens nicht die ersten. Wir reihen uns damit in die weltweiten Kämpfe für Klimagerechtigkeit ein und solidarisieren uns mit allen, die dadurch vin Repressionen betroffen sind und bedroht werden.
Wir finden so ein Zusammenleben ist ganz schön queer, in einer Gesellschaft, in der Menschen durch heteronormative romantische Zweierbeziehungen vereinzeln.
Wir sind ja tolerant, aber diese Heten- Denkt doch mal an die Kinder. Als wäre ja nicht eh fast jeder Tag eine Art straight pride.
Überhaupt als queers wollen wir nicht einfach die romantischen Beziehungen von Heten nachmachen. Eine Ehe für alle ist eben nicht die langersehnte Lösung all unserer Probleme.
Wir haben es so satt, dass die romantische 2-er-beziehung so glorifiziert wird, während alles andere nur nebenbei passiert. Oft fragt Mensch ja Sachen wie: „na was läuft gerade so romantisch bei dir?“ Für manche ist klar was gemeint ist. Ich steh dann aber da und fang an alle Leute aufzuzählen, die grad im Wald sind, die für mich da sind und für die ich da bin, mit denen ich gerade viel Zeit verbringe, mit denen ich kuschel, Lieder singe, baue oder raufe und weiß gar nicht wo ich anfangen oder aufhören soll.
Wir geben also ein ganz großes shoutout an platonische Liebe, an Liebesdreiecke, an Freund*innnen, an Polycules aller Art, an all die die glücklich Single sind, nicht oder grey- romantische Liebe, an romantische Liebe ohne Sex, an Sex ohne romantische Liebe, an gemeinschaftlich organisierte Fürsorgebeziehungen. Wir wüssten nicht, wie wir diesen scheiß Kapitalismus sonst überleben würden.
An alle die, die sich jetzt an den Kopf fassen, an die ewig gestrigen: wir sagen nochmal einfach für euch. Wir wollen nicht romantisch sein müssen. Wir wollen nicht nach euren Vorstellungen lieben müssen. Wir wollen nicht unser Leben auf der Suche nach der idealen Partnerperson verbringen müssen. Wir erteilen diesem absurden Optimierungsdrang eine Absage! Liebe muss nicht kapitalistisch sein! Stattdessen feiern wir unsere chosen family. Obwohl wir feiern, laufen wir heute auch gegen ein patrichales System, das uns unterdrückt. Das versucht uns vorzuschreiben, wie wir sein sollen und uns dafür angreift wer wir sind.
Lasst uns gemeinsam die Zähne fletschen. Lasst uns gemeinsam für eine solidarische Welt kämpfen, in der wir Verantwortung füreinander übernehmen. Lasst uns für eine Welt kämpfen, in der wir gemeinsam gewaltvolle Strukturen identifizieren, uns diesen entgegenstellen und selbst Verantwortung übernehmen.
Wir freuen uns, dass wir alle zusammen auf der Straße stehen. Gemeinsam kämpfen wir für Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle.
Queers die kämpfen, sind queers die leben – Lasst uns das System aus den Angeln heben.
Und weil zum Kämpfen auch feiern, empowerment und unsere Gemeinschaft gehören, schicken wir euch ganz viel Kraft und Solidarität.
Und never forget – Lieber queer und lebensfroh als verklemmt und hetero!
„Part 3“ von kosmotique
Tami Hart!
Queere Solo-Sing-A-Song-Writerin, die als Teenagerin beim pro Queer und feministischen Mr. Lady Label debuetierte – selbstverständlich mit den drei Big L des Teenage: Loss, Love and Loneliness. Danach in mehreren Band-Projekten – erst Bassistin beim Musik- und Performance-Kollektiv JD Samson & MEN, dann Frontwoman von Making Friendz und Teen Vice.
The Slits!
Britische Punk Band der ersten Stunde – all! Women! 1976 von Teenagerinnen gegründet – angepisst von den vorangegangenen Versuchen, mit Männern Musik zu machen, die schließlich alles kontrollierten, uebernahmen und in den Sand setzten. Eine der einflussreichsten und innovativsten Bands der Punkbewegung. Das Beste: ihre schiere Unfähigkeit, Kompromisse einzugehen oder sich mit ihrem Sexappeal zu verkaufen.
Hanin Elias!
Berlin: Sie rannte von zu Hause weg und gründete mit anderen Teenager*innen kurz nach der Wende die antifaschistische Elektro-Punk-Band Atari Teenage Riot, dabei Digital Hardcore erfunden. Gründete anschließend Fatal Recordings, ein Digital-Hardcore-Label nur für female und female-identifying Artists in einer männerlastigen Musikszene.
Hazel Dickens!
Eine der ersten Frauen, die sich in der männlich-dominierten Welt der Bluegrass-Musik duchsetzte und mit ihrer Partnerin 1965 ein Album aufnahm. Provozierte vor allem solo mit feministischen und mit Gewerkschaftssongs und wurde zur Stimme der Arbeiter*innen im Kohlebergbau von West Virginia.
Cathy Sisler!
Feministische lesbische Performance- und Videokünstlerin, Musikerin, Schriftstellerin in Canada, besonders in den 80er und 90er Jahren. Themen ihrer Arbeiten: Sicht- und Unsichtbarkeit von Frauen und queeren Personen im öffentlichen Raum, die Abweichung von normativen Handlungsformen, Identität und Konformität.
Shirley Muldowney!
„First Lady of Drag Racing“, amerikanische Autorennfahrerin. Sie war 1973 die erste Frau, die von der National Hot Rod Association eine Lizenz zum Fahren eines Top Fuel Dragsters erhielt. Sie gewann die NHRA Top Fuel-Meisterschaft 1977, 1980 und 1982 und war damit die erste Person, die zwei und drei Top Fuel-Titel gewann.
Urvashi Vaid!
In Neu-Delhi geborene, US-amerikanische Juristin und LGBT-Aktivistin. Ihre Überzeugung: Die Institutionen der Gesellschaft müssen durch die Bewegung transformiert werden. Akzeptanz reicht nicht!
Valie Export!
Künstlerin mit dem Namen einer Zigarettenmarke, um ihre patriarchalischen Geburts- und Ehenamen abzulegen. Schuf in den 1960er und 1970er Jahren einige der wildesten feministischen Kunstwerke in Europa, die sich mit der Verfügbarkeit und dem medialen Zugriff auf den weiblichen Körper auseinandersetzten.
Cathy Opie!
Fotografin, die besonders in den 90er Jahren in großartigen Arbeiten die queere Subkultur porträtierte und in extrem schmerzlichen Selbstporträts den gesellschaftlichen Blick auf Queerness entlarvte.
James Baldwin!
Einer der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Eindringliche und wortgewaltige Texte über Schwarzsein und Homosexualität, lange bevor die soziale, kulturelle oder politische Gleichstellung dieser Gruppen erkämpft wurde.
Diane DiMassa!
Feministische Künstlerin und Autorin. Schuf in den 90ern den kultigen Underground-Comic Hothead Paisan: Homicidal Lesbian Terrorist über die lesbische Feministin namens Hothead, die es sich zur Aufgabe macht, die Welt von männlichem Abschaum zu befreien.
Aretha Franklin!
Die Queen of Soul. Nummer-1-Hit: Respect! R-E-S-P-E-C-T – Find out what it means to me!
Joan Jett!
Musik-Ikone. Sang die erfolgreichste Version von „I Love Rock’n’Roll“, aber das erst nachdem ein Label nach dem anderen Joan Jett nach Auflösung der Seventies-All-Girls-teenage-Band „The Runaways“ ablehnte – wegen ihres androgynen Äußeren, mit ihrem zu unweiblichen Auftreten. Mehr als nur eine Inspiration für die Riot Grrrl Bewegung.
Mia X!
Amerikanische Rapperin und Songwriterin. Sie war die erste weibliche emcee, die 1994 einen Vertrag beim Plattenlabel No Limit Records erhielt. Sie wurde als die Mutter des Southern Gangsta Rap bezeichnet.
Krystal Wakem!
Vielleicht einfach eine Freundin. Wir alle brauchen eine feministische Freundin.